Vata - was ist das?
- Tanja Wehnl
- 21. Jan. 2021
- 8 Min. Lesezeit
Vielleicht hast du schon von Vata als einem der drei ayurvedischen Bioenergien Vata, Pitta und Kapha gehört. Wenn es dir noch gar nichts sagt, führe ich dich hier in die ayurvedische Lehre, die fünf Elemente und die drei Doshas ein und verrate dir auch noch, warum mir das Vata-Dosha so am Herzen liegt.
Was ist denn überhaupt der Ayurveda?
Ayurveda ist eine traditionelle indische Heilkunst und bedeutet, übersetzt aus dem Sanskrit, das „Wissenschaft vom Leben“. Es ist eine Erfahrungslehre, die über Jahrtausende weitergegeben wurde und auch heute noch z.B. in Indien gelehrt und praktiziert wird. Der in Amerika praktizierende Ayurvedaarzt Dr. Vasant Lad bezeichnet Ayurveda auch als die Wissenschaft der täglichen Lebensführung. Ayurveda ist ein ganzheitliches Gesundheitssystem, das die Erhaltung und Förderung von Gesundheit im Fokus hat. Kommt es zur Krankheit, gilt es die Ursachen der Krankheit zu beheben. Einer der ersten ayurvedischen Chirugen, Sushruta, definierte Gesundheit vor ungefähr 2500 Jahren so:
Ein Mensch, dessen Doshas, Agni (Verdauung) und Dhatus (Körpergewebe) im Gleichgewicht sind, dessen Malas (Ausscheidungen) normal funktionieren und dessen Selbst, Sinne und Geist voll Glückseligkeit sind, wird als gesund bezeichnet.
Da haben wir sie wieder, die Doshas, die Funktionsprinzipien, denen jeweils ganz bestimmte Eigenschaften zu Grunde liegen und die überall in und um uns herum wirken. Doch bevor ich näher auf die Doshas eingehe, komme ich erstmal zu den fünf Elementen, aus denen sich die drei Doshas zusammensetzen. Das sind die Elemente Äther (Raum), Luft, Feuer, Wasser und Erde. Aus den feinstofflichen Elementen Äther und Luft bildet sich das Vata-Dosha, aus den Elementen Feuer und Wasser das Pitta-Dosha und aus den Elementen Wasser und Erde das Kapha-Dosha. Schauen wir uns die drei Doshas mal der Reihe nach an.
Vata wird auch als das Königsdosha bezeichnet, es steht für Leichtigkeit und Bewegung. Jegliche Bewegung, ob von Gedanken, Nervenimpulsen, Muskeln oder Gelenken, wäre ohne Vata nicht möglich. Die beiden Elemente Äther und Luft bestimmen auch die Eigenschaften des Vata-Doshas: es ist leicht, trocken, kalt, beweglich, wechselhaft, unregelmäßig, subtil.
Pitta steht für Stoffwechsel und Energie, das Feuerelement ist hier das vorherrschende und bildet zusammen mit dem Wasser-Element eine Funktionseinheit, die für jegliche Transformation verantwortlich ist. Die Eigenschaften von Pitta sind heiß, scharf, durchdringend, beweglich, leicht, flüssig.
Kapha steht für Struktur und Wachstum, die beiden Elemente Erde und Wasser bestimmen die Eigenschaften des Doshas: stabil, kalt, weich, dicht, schwer, ölig, langsam.

Jeder Mensch hat alle drei Doshas in sich, allerdings dominiert meist eins oder auch zwei Doshas. Die Konstitution, mit der wir auf die Welt kommen nennen wir Prakriti, sie ist unsere Grundkonstitution, an der wir unser gesamtes Leben ausrichten sollten. Je näher wir uns an unserer Prakriti befinden, umso mehr sind wir in Balance – körperlich, seelisch und geistig. Durch unseren Lebensstil, unsere Nahrung und auch durch äußere Einflüsse verändert sich jedoch unsere Dosha-Konstellation. Ungleichgewichte entstehen, die sich in der Folge im Körper als Krankheiten manifestieren können.
„Nach den ayurvedischen Lehren ist ein klares Verständnis der drei Doshas die Grundvoraussetzung dafür, sich selbst und andere heilen zu können.“ (Dr. Vasant Lad)
Das klingt jetzt womöglich sehr abstrakt, daher möchte ich es an einem praktischen Beispiel veranschaulichen. Nehmen wir eine Frau – wir nennen sie Nina -, in deren Grundkonstitution das Vata-Dosha dominiert, aber auch Pitta noch sehr präsent ist: eine Vata-Pitta-Konstitution. Schauen wir uns ihr äußeres Erscheinungsbild mit ein paar unveränderlichen Körpermerkmalen an, denn daran lässt sich die Grundkonstitution gut bestimmen:
Nina ist schlank und mit 1,65 m eher klein (spricht für Vata). Sie hat schmale, fast knochige, Hände und Finger (Vata), die Fingernägel sind mittelgroß (Pitta). Das Gesicht ist länglich (Vata), die Haare sind blond und glatt (Pitta), die Augen durchdringend blau (Pitta). Die Lippen sind schmal und klein (Vata), die Zähne länglich und unregelmäßig (Vata).
Wenn Nina in Balance ist, kann sie die Potentiale, die die beiden Doshas in sich tragen, ausleben und von ihnen profitieren. Sie ist ein quirliger Mensch (Vata), kommunikativ (Vata) und schafft es immer wieder, ihre Freundinnen oder Kollegen für ihre Ideen zu begeistern (Vata). Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, ist sie sehr ehrgeizig (Pitta) und zielstrebig (Pitta). In ihrer Freizeit treibt sie viel Sport (Vata + Pitta), reist gerne (Vata) und ist sehr kreativ, was sie in ihrer Malerei auslebt (Vata).
Werden die Doshas jedoch gereizt, kommt es zu einem Überschuss und Störungen entstehen. Besonders leicht sind die Doshas reizbar, die ohnehin schon dominieren. Zur Erinnerung, bei Nina sind das das luftige Bewegungsprinzip Vata und das feurige Transformationsprinzip Pitta.
In unserem schnelllebigen Alltag wird vor allem Vata leicht gereizt. Es gilt „Gleiches erhöht Gleiches“ und wenn wir uns nochmal die Vata-Eigenschaften beweglich, kalt, schnell, wechselhaft, unregelmäßig, leicht und trocken anschauen, hast du vielleicht schon eine Idee, was Vata erhöhen könnte. Unregelmäßige Schlaf- und Essensgewohnheiten, Stress, kalte und trockene Mahlzeiten, Informationsfluten aus den Medien und Sozialen Medien oder auch schlicht die Tages- und Jahreszeiten sind nur ein paar Beispiele externer Faktoren. Wie können die sich nun auswirken?
Bleiben wir bei unserem Beispiel Nina. Nina durchlebt aktuell eine stressige Phase. Ihre Mutter ist erkrankt und sie pendelt viel zwischen dem Wohnort ihrer Eltern und ihrem hin und her. Im Job hat sie ein neues Projekt anvertraut bekommen, was ihr durchaus Spaß macht, aber auch zeitintensiv ist. Für ruhige Mahlzeiten bleibt häufig keine Zeit. Oft ist es nur ein kalter Salat oder ein Sandwich, dass ihr den Hunger stillen soll. Auch ihren Sport kann sie aktuell nicht so ausüben wie sie es gerne würde und zum Malen, das sie immer so beruhigt, hat sie auch keine Zeit. Wenn sie abends im Bett liegt – meist erst kurz vor Mitternacht, kann sie schlecht einschlafen und wacht häufig gegen vier schon wieder auf. Dann kreisen ihre Gedanken und sie fühlt sich am nächsten Morgen ziemlich erschöpft, unruhig und leer. Ohne Kaffee geht da gar nichts. Auch auf der Arbeit fällt es ihr in letzter Zeit schwer, sich zu konzentrieren. Erst vorgestern hat sie vergessen, wichtige Unterlagen mit zu einem Meeting zu nehmen. Ihre Fingernägel sind in letzter Zeit trocken und brüchig, ebenso die Haut an den Händen und um die Lippen. Ihre Stimmung schwankt auch ziemlich, darüber haben sich sogar schon ihre Freundinnen beklagt.
Rufen wir uns nochmal in Erinnerung, dass Gleiches Gleiches erhöht. Nina, in der ohnehin bereits das Bewegungsprinzip Vata dominiert, durchlebt gerade eine sehr „bewegte“ Phase ihres Lebens. Ein neues Projekt auf der Arbeit, dazu ihre kranke Mutter und das ständige Pendeln bringen ziemlich viel Unruhe in ihr Leben. Zusätzliche Bewegung von außen reizt also ihr Vata und bringt es ins Ungleichgewicht. Kalte Speisen sind ebenso nichts für Vata, denn die Eigenschaft Kälte wird damit zusätzlich verstärkt. Trockene Mahlzeiten und vielleicht zu wenig Flüssigkeit verstärken die Trockenheit im Körper, was sich in der Verdauung aber auch an der Haut spüren lässt. Und die Leichtigkeit von Vata kann sich im gereizten Zustand eben auch in Flattrigkeit, Launigkeit und Vergesslichkeit auswirken. Diese aktuelle Konstitution mit einem oder mehreren erhöhten Doshas, in diesem Fall das Vata-Dosha, nenn man Vikriti.
Analog dazu, dass Gleiches Gleiches erhöht, gleicht Gegensätzliches das erhöhte Dosha wieder aus. Bleiben wir der Einfachheit halber bei unserem erhöhten Vata-Dosha:
Gegen zu viel Bewegung und Unregelmäßigkeit helfen Ruhe, Routinen und Struktur. Vata ist zwar sehr spontan und intuitiv, gleichzeitig hilft ihm ein äußerer Rahmen sich zu orientieren und nicht zu verzetteln… Auch regelmäßige Schlaf- Essenszeiten sind wichtig für Vata, ebenso wie ausreichende Ruhe- und Entspannungsphasen.
Luft und Leichtigkeit verleihen Vata Kreativität, Flexibilität und Neugier. Ist Vata gestört, kann es sich wie bei Nina aber auch mit Vergesslichkeit, innerer Unruhe, schlechtem Schlaf oder auch wechselnden Launen bemerkbar machen. Hier hilft Erdung: erdende Lebensmittel wie z.B. Wurzelgemüse, Spaziergänge in der Natur oder auch barfuß laufen.
Kälte und Trockenheit können gut über die Ernährung ausgeglichen werden. In der ayurvedischen Morgenroutine ist das Glas warme Wasser nicht mehr wegzudenken. Für Vata optimal, da es hilft, die träge Verdauung anzukurbeln. Und auch über den Tag sollte Vata ausreichend trinken und am besten immer eine Kanne Wasser dabei haben. Die Speisen sollten möglichst immer warm und mit ausreichend Flüssigkeit und gutem Öl zubereitet sein und in Ruhe gegessen werden. Eine Ölmassage mit angewärmtem Mandel- oder Sesamöl beruhigt und wärmt Vata. Danach schön warm einkuscheln hilft doppelt.
Fassen wir nochmal kurz zusammen:
Du weißt jetzt, dass es im Ayurveda fünf Elemente gibt, aus denen sich die drei Funktionsprinzipien Vata, bestehend aus Äther und Luft, Pitta, bestehend aus Feuer und Wasser und Kapha, bestehend aus Erde und Wasser, bilden. Vata, Pitta und Kapha sind in allem vorhanden und prägen nicht nur Körper, Geist und Seele des Menschen, sondern auch alles um uns herum, von der Nahrung bis zu den Jahres- und Tageszeiten. Jeder Mensch kommt mit einer ganz individuellen Dosha-Kombination auf die Welt, dies ist seine Prakriti. Wörtlich übersetzt bedeutet Dosha übrigens „Verderben“ oder „Fehler“, denn ist ein Dosha im Ungleichgewicht, erzeugt dies körperliche, geistige oder seelische Probleme bis hin zu Krankheiten. Mit dem Wissen über die Doshas und ihre Eigenschaften können wir uns mit all unseren individuellen Eigenschaften und Eigenarten, körperlich wie geistig, besser verstehen und letztlich auch annehmen. Nach dem Prinzip „Gegensätzliches gleicht aus“ können wir entstandene Störungen behandeln und so leben, wie es unserer Konstitution entspricht und damit Selbstverantwortung für unseren Körper und unser Leben übernehmen. Die Ärztin Manjiri Nadkarni hat dies, wie ich finde, sehr treffend formuliert:
„In der ayurvedischen Lehre geht es ganz einfach darum, dein einzigartiges Selbst zu verstehen und so zu sein, wie es tief in dir angelegt ist.“
Vielleicht hast du jetzt schon ein Gespür bekommen, welche Bedeutung die Doshas haben. Ganz zu Beginn habe ich ja erwähnt, dass es mir ganz besonders um das Vata-Dosha geht, auf das ich ja bereits auch etwas ausführlicher eingegangen bin. Warum das Vata-Dosha?
Da Vata als bewegendes und steuerndes Dosha großen Einfluss auf sämtliche Prozesse im Körper hat, wird es auch das Königsdosha genannt. Gleichzeitig ist es durch die Elemente Luft und vor allem Äther sehr subtil und sehr feinstofflicher Natur. Durch diese feinstoffliche Wirkweise hat es sehr guten Zugang zum geistig-seelischen Bereich und ist hier zuständig für das Unterbewusstsein, für Intuition, Träume und Visionen, fördert Kreativität und Ideenreichtum. Vata ist allerdings auch sehr sensibel und reagiert auf kleinste Provokationen mit Störungen. Diese können sich im grobstofflichen Bereich z.B. als Blähungen oder Verstopfungen äußern, im feinstofflichen Bereich z.B. als Menstruationsbeschwerden, hormonelle Über- oder Unterfunktionen oder kalte Hände und Füße und im absolut feinstofflichen Bereich als Angstzustände, Gereiztheit, Schlafstörungen oder Depressionen. Das ist nur ein kleiner Auszug möglicher Symptome und soll dir nur verdeutlichen, wie vielfältig sich ein gestörtes Vata äußern kann und wie leicht es aus dem Gleichgewicht gerät.
Und genau diese Erkenntnis war es auch, die mir, die ich ebenfalls einen großen Vataanteil in mir trage, geholfen hat, so vieles klarer zu sehen und zu verstehen. Warum es für mich so wichtig ist, regelmäßig zu essen und warum ich sonst gereizt und unleidlich werde… Warum ich abends besser keine Pizza mehr essen sollte… Warum ich manchmal zu viel auf einmal mache und mich dann verzettel und was ich dagegen tun kann… Warum ich mir manchmal schwer tue, mich zu entscheiden und hin- und hergerissen bin… Warum ich manchmal erschöpft und antriebslos bin… Warum es Phasen gibt, in denen ich voller Energie bin und dann wieder Phasen, in denen ich mich zurückziehen möchte… Warum meine Haut vor allem im Winter dazu neigt, rau und trocken zu sein…
Vielleicht weißt du schon, dass du auch eine Vata-Frau bist, vielleicht ahnst du es oder vielleicht kennst du nur jemanden, den du durch das Wissen über die Doshas und Vata im Speziellen besser verstehen kannst. Wie auch immer – mein Anliegen ist es, Dir das Vata-Dosha nahe zu bringen, dich für das Vata in dir und um dir herum zu sensibilisieren und dir auch zu vermitteln, wie du dein Vata ausleben, bändigen und ausgleichen kannst. Wohlwissend, dass wir Vata nicht isoliert betrachten dürfen, da die Doshas in Wechselwirkung zueinander stehen. Wenn ich hier also vordergründig auf das Vata-Dosha eingegangen bin, dann nur, um es dir in seiner Bandbreite nahe zu bringen. Denn ich möchte dich gerne unterstützen, vataleicht erfüllt zu leben!
Wenn du noch mehr über das Vata-Dosha erfahren möchtest, lade ich dich herzlich zur Facebook-Gruppe Vataleicht ein. Den Blogartikel zum Nachhören gibt es auf Youtube.
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